Ältere Kinderbücher von Kirsten Boie
In den letzten Jahren bin ich ein großer Fan von den Kinderbüchern von Kirsten Boie geworden. Ich bin unter anderem begeistert von “Ein Sommer in Sommerby” sowie den Thabo– und Ritter Trenk-Büchern. Aber ich bin schon vor einigen Jahren Büchern von Kirsten Boie begegnet. Für mein erstes Staatsexamen musste ich unter anderem die Bücher “Mit Kindern redet ja keiner” und “Mit Jakob wurde alles anders” lesen. Außerdem hatte ich die Bücher damals rezensiert.
Die Rezensionen (geschrieben 2006) stelle ich euch nun heute hier ein. “Mit Kindern redet ja keiner” ist ganz aktuell beim Sauerländer Verlag als Hardcover neu rausgekommen. “Mit Jakob wurde alles anders” finde ich leider nur noch gebraucht. Ich hatte damals die Ausgabe aus der Reihe “Junge Bibliothek” der Süddeutschen Zeitung.
Mit Kindern redet ja keiner
Charlotte erzählt aus ihrem Leben, wie es damals war, als Mama schöne Sachen mit ihr gemacht hat, und wie es jetzt ist, wo Mama auf einmal ständig schimpft, sich nicht mehr um den Haushalt kümmert und oft nur traurig im Bett liegt. Charlotte versteht nicht, was mit ihrer Mutter los ist, denn keiner spricht mit ihr darüber. Sie wird mit ihren Gedanken und Ängsten alleine gelassen. Zum Glück gibt es ihre beste Freundin Lule. Bei ihr und ihrer Mutter fühlt sich Charlotte wohl.
Thema: Depression bei Eltern
Das Buch widmet sich behutsam der Thematik Depression bei Eltern. Die Situation wird aus der Sicht des Kindes geschildert, wobei Fragen, Gedanken und Ängste gut aufgenommen werden. Die Gedanken, die ein Kind hat, werden gut und überzeugend dargestellt.
“Mit Kindern redet ja keiner” zeigt wie wichtig es ist auch mit Kindern über Probleme in der Familie zu sprechen. Auch kann es Kindern dabei helfen, nicht die Schuld für die Probleme bei sich selbst zu suchen. Kindern, die sich in einer ähnlichen Situation wie Charlotte befinden, können Ängste genommen werden und ihnen wird Mut gemacht sich anderen anzuvertrauen. Außerdem werden Kinder für die Thematik sensibilisiert, was dazu beitragen kann, dass für betroffene Klassenkameraden mehr Verständnis gezeigt wird.
Der Sprachstil ist einfach und gefällt mir gut. Man findet sich schnell in das Buch rein.
Ingesamt ist das Buch zu empfehlen. Es greift eine wichtige Thematik auf und ist gut und spannend geschrieben. Man fühlt mit Charlotte mit und möchte wissen, wie es mit ihr und ihrer Mutter weiter geht.
Das Buch ist für Kinder ab 8 Jahren geeignet. Vom Sprachniveau und Schriftgröße her gesehen, können Kinder es auch selbst lesen, aber ich denke, dass es von Vorteil wäre, wenn ein Erwachsener das Lesen zumindest begleitet, so dass über die Thematik gesprochen werden kann.
Mit Kindern redet ja keiner von Kirsten Boie, illustriert von Philip Wächter, Sauerländer, ISBN: 978-3737357180, 12€ (Neuausgabe als Hardcover)
Mit Jakob wurde alles anders
In Neles Familie läuft vieles anders als in anderen Familien. Das liegt daran, dass Neles Mutter unbedingt wieder arbeiten gehen möchte und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Jakob geboren wird. Die Eltern tauschen ihre Rollen: Der Vater versorgt den Haushalt und die Kinder und die Mutter geht wieder arbeiten. Doch so einfach ist so ein Rollentausch nicht. Vor allem der Vater hat sich alles ein bisschen einfacher vorgestellt und so passiert es nicht selten, dass das totale Chaos herrscht, wenn Nele von der Schule kommt und auch Abends, wenn die Mutter wieder da ist, ist die Hälfte des Haushalts noch längst nicht erledigt. Hinzu kommt, dass Neles kleiner Bruder Gussi, der gerade in den Kindergarten gekommen ist, unter der Situation leidet und wieder nachts ins Bett macht. Nele möchte mit ihrer Freundin Katta nicht über die Situation zu Hause reden.
Sie selbst findet es eigentlich ganz okay, dass der Vater zu Hause bleibt, aber was werden die anderen nur dazu sagen? Vermutlich werden sie sich darüber lustig machen. Außerdem hat Nele ganz andere Sachen über die sie unbedingt reden muss, denn sie ist zum ersten Mal richtig verliebt und zwar in Oliver aus ihrer Klasse. Eigentlich ist sie auch davon überzeugt, dass Oliver sie mag, doch irgendwie scheint er sehr schüchtern zu sein, denn er unterhält sich nie mit Nele. Aber bestimmt weiß Katta, was man da am besten macht, schließlich hatte sie schon zwei Freunde und ist somit bereits ziemlich erfahren.
Die Geschichte wird aus der Sicht der 12-jährigen Nele erzählt. In einer recht nüchternen, einfachen Sprache berichtet sie von den Zuständen zu Hause sowie ihrer Verliebtheit zu Oliver. Dabei reflektiert sie auch das Verhalten der unterschiedlichen Charaktere. Und auch wenn alles drunter und drüber geht, so bleibt Nele insgesamt ziemlich cool, auch wenn sie sich manchmal wünscht, dass alles so wie früher ist.
Neue Rollenverteilung innerhalb der Familie
Das Buch macht deutlich, dass es möglich ist, dass Frauen und Männer entgegengesetzt ihrer traditionellen Rollen handeln, dass dieser Rollentausch aber auch einige Probleme aufwerfen kann. Auf diese Weise wird die Emanzipation nicht beschönigt, kommt aber dennoch zur Sprache. Etwas erschreckend ist, dass die Geschichte, welche 1986 geschrieben wurde, auch heute noch aktuell ist. Es ist immer noch keine Selbstverständlichkeit, dass auch Männer den Haushalt und die Kindererziehung übernehmen können und einige Leute komisch gucken, wenn sie hören, dass die Frau arbeiten geht, während der Mann zu Hause bleibt. Das Buch leistet somit auch heute noch einen wichtigen Beitrag zur Gleichberechtigung und regt zur Reflexion über die traditionelle Rollenverteilung an.
Insgesamt ist “Mit Jakob wurde alles anders” ein äußerst empfehlenswertes Buch für Kinder ab ca. 10 Jahren. Es stellt den Alltag und die Probleme einer Familie sowie das erste Verliebtsein, dass einige der familiären Probleme in den Hintergrund rücken lässt, gut dar und lässt sich sehr gut und flüssig lesen. Auch die Identifikation mit der Hauptfigur dürfte den jungen Lesern leicht fallen.
Das Buch beinhaltet wie andere Bücher aus der Reihe “Junge Bibliothek” ein Lesebändchen.
Mit Jakob wurde alles anders von Kirsten Boie, Junge Bibliothek, Band 30, Süddeutsche Zeitung, ISBN: 3-86615-131-4 (Bild von einer anderen Ausgabe)