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Rezension: Ein Sommer in Sommerby

Ich gebe zu, dass mir Kirsten Boie zwar immer natürlich in der Bücherwelt ein Begriff bzw. ein wichtiger Name war,  und dass ich auch Bücher wie „Der kleine Ritter Trenk“ richtig toll finde, aber dennoch war sie bisher eine gute Autorin unter anderen. Das hat sich mittlerweile geändert. Ja, sicherlich hat auch das persönliche Treffen auf der Buchmesse dazu beigetragen, dass ich diese Frau und Autorin immer mehr zu schätzen weiß, aber ich lese auch immer bewusster ihre Bücher und als absoluter Astrid Lindgren-Fan muss man eigentlich auch Kirsten Boie lieben, denn auch wenn sie anders schreibt, so kommt in ihren Büchern dennoch ein gewisses Astrid Lindgren-Gefühl auf.

So auch bei ihrem neuen Buch „Ein Sommer in Sommerby“, welches mich allein schon vom Titel her an Astrid Lindgren und Schweden denken lässt, auch wenn es in Norddeutschland spielt. Aber wisst ihr, dass „by“, das schwedische Wort für Dorf ist? Da ist es doch klar, dass ich bei Sommerby direkt an ein sommerliches Dorf denke. Und die Geschichte selbst lässt in dem Leser noch einmal die Bullerbü-Sehnsucht erwachen.

Sommerglück und Abenteuer

Die Mama von Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4) hat in New York einen Unfall, so dass Papa zu ihr hinfliegen muss. Wohin aber mit den Kindern? Sie müssen zu ihrer Oma aufs Land, allerdings kennen sie diese Oma überhaupt nicht. Schnell stellen sie aber fest, dass diese Oma ganz anders als sie selbst lebt: Ihr Haus liegt abgelegen, es gibt weder Telefon noch Internet noch Fernsehen, dafür aber Hühner, selbstgekochte Marmelade und ein Ruderboot, mit welchem die Kinder alleine losfahren dürfen. Und ohne, dass Martha es eigentlich möchte, stellt sich nach und nach ein großes Sommerglück ein. Die Kinder genießen das ruhige Leben bei der Oma, allerdings ist es auf einmal gar nicht mehr so ruhig, wie es eigentlich sein sollte, denn verschiedene Gefahren treten auf, die sie gemeinsam bewältigen müssen.

Tolle Figuren

Die Figuren in dem Buch sind alle toll! Angefangen von Martha, die sich so liebevoll um ihre Geschwister kümmert, über Mikkel, der so gerne möchte, dass alle – Menschen und Tiere – lieb zu einander sind, bis hin zu dem kleinen Mats, der genauso aufgeweckt, bockig, wütend, neugierig, offen und ehrlich ist wie es Kinder in dem Alter nun einmal sind. Und dann natürlich die Oma, von Mats zunächst „Frau Oma“ genannt, da er sie ja nicht kennt. Auch sie ist eine herrliche Figur, der man sich immer mehr annähert und bei der man von Anfang an spürt, dass die Kinder hier eigentlich sehr gut aufgehoben sind.

Die Oma fordert von den Kindern einiges. Kartoffeln müssen geschält werden, wer Eier essen möchte, muss diese auch vorher einsammeln, aber dafür lässt sie ihnen auch viele Freiheiten. Selbst der kleine Mats darf am Wasser spielen, denn sie vertraut darauf, dass er nicht so blöd ist und als Nichtschwimmer hineinfällt. Ja, auch hier musst ich wieder an Astrid Lindgren denken, denn hat sie nicht immer so ihre eigene Kindheit beschrieben? Sie und ihre Geschwister mussten auf dem Hof, auf dem sie mit ihren Eltern lebten sehr viel mit anpacken, aber auf der anderen Seite haben die Eltern sie auch unbeaufsichtigt spielen lassen.

Ein Buch, das man liest und liest und liest

Man kann sich alles sehr gut und bildlich vorstellen. Die Sprache in dem Buch gefällt mir sehr gut, wobei ich mich anfangs ein wenig daran gewöhnen musste, dass hier teilweise so erzählt wird, als würden einem die Gedanken und Überlegungen mitgeteilt. An ganze Sätze werden somit manchmal nur einzelne erklärende Worte und weiterführende Gedanken drangehängt. Insgesamt ist das Buch aber sehr schön geschrieben und man bekommt das Gefühl, den Kindern ganz nahe zu sein. Gut gefällt mir auch, dass drohende Schwierigkeiten, aber auch das gute Ende, bereits mit kurzen Sätzen angedeutet werden. Man weiß also worauf es hinausläuft, aber genaueres möchte man natürlich gerne erfahren, so dass man weiter und weiter liest.

Wie können wir unsere Sehnsucht nach dem Glücksgefühl befriedigen?

Dieses Buch spricht die Sehnsüchte nach dem absoluten Glücksgefühl an und es stellt letztendlich auch die Frage, wann empfinden wir dieses Gefühl. Und über diese Frage sollten auch gerade wir Eltern, die dieses Buch ebenfalls lesen, nachdenken. Sicherlich ist heute eine Welt ohne digitale Medien nicht mehr vorstellbar. Wir nutzen alle diese Dinge und das ist in vielen Fällen auch hilfreich, aber dennoch ist es auch für uns heute nicht utopisch in Ferienzeiten in andere Welten einzutauchen, einfach nur zu sein, in der Natur herumzustreichen, die Zeit mit wenigen materiellen Dingen auszufüllen und den Sommer einfach zu genießen. Aber nutzen wir diese Zeit? Häufig möchten wir doch auch in den Ferien Kindern etwas „bieten“. Wir machen tolle Urlaube mit spannenden und actionreichen Ausflügen. Selten bleiben wir mehrere Wochen über nur an einem Ort und lassen die Zeit so vergehen, wie sie eben kommt und geht. Ganz bestimmt gefallen den  Kindern unsere Urlaube. Sie finden es toll, in den Zoo zu gehen, auf Abenteuerspielplätzen zu spielen oder sogar mal einen Ausflug in den Freizeitpark zu unternehmen. Sie werden auch an diese Urlaube gerne zurückdenken und sie vielleicht sogar später gerne mit ihren eigenen Kindern wiederholen. Aber haben wir bei diesen Urlauben wirklich die Chance auf dieses absolute, reine Glücksgefühl? Vielleicht, wenn wir mal zwischendurch innehalten, über die Dünen schauen und die Sonne im Meer versinken sehen, aber letztendlich verknüpfen wir doch diese Sehnsucht mit einem Ort wie Sommerby, in dem die Zeit still zu stehen scheint.

Sommerglück in der heutigen Zeit

Das Buch „Ein Sommer in Sommerby“ spricht sicherlich viele Erwachsene an, die auch schon die Bullerbü-Bücher von Astrid Lindgren gelesen haben, aber ich denke, dass auch Kinder diese Sehnsüchte haben und es auch für sie ein absolutes Lieblingsbuch werden kann. Auch die Bullerbü-Bücher würde ich heute noch meinen Kindern vorlesen, aber dieses Buch spielt in der heutigen Zeit. Trotz der Sommerromantik bleiben Sorgen, Ängste und Gefahren sowie die digitale Welt nicht außen vor. Sie spielen eine Rolle und beeinflussen die Figuren. Es ist nicht alles heile Welt, aber man kann dem Alltag zeitweise zumindest ein wenig entfliehen, auch wenn in der Sommeridylle ebenfalls Schwierigkeiten überwunden werden müssen. Gerade, dass dieses Sommerglück, welches die Kinder erleben, mit der heutigen Welt verknüpft ist, macht dieses Buch so besonders. Ja, auch wir und unsere Kinder können dieses Glück heute noch erleben und das macht doch Mut und vor allem Lust auf einen Urlaub in einem abgeschiedenen Haus ohne große Attraktionen. Und für wen sich ein solcher Urlaub gerade nicht anbietet, der kann sich zumindest mit diesem Buch an einen solchen Ort träumen. Diese Chance sollte sich niemand entgehen lassen!

Ein Sommer in Sommerby von Kirsten Boie, Oetinger Verlag, ISBN: 978-3-7891-0883-9, 14€

4 Gedanken zu „Rezension: Ein Sommer in Sommerby

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