Bilderbücher ohne Text
Bilderbücher ohne Text kennt man häufig als Wimmelbücher, aber es gibt auch andere Bilderbücher, die keinen Text enthalten. Diese Bücher sind für Kinder unglaublich wertvoll, denn sie regen zum einen die Fantasie an und zum anderen fordern sie dazu auf, gemeinsam selbst zu erzählen. Zwei solcher Bücher für Kinder ab etwa 3 Jahren möchte ich euch heute vorstellen. Sie zeigen auch, wie unterschiedlich diese Bücher, die lustigerweise beide einen auffordernden Titel haben, sein können.
Bilderbuch “Leg los”
Das Bilderbuch „Leg los“ ist so ein Buch ganz ohne Text. Dafür haben die Bilder alle etwas besonderes, denn unten am Buch hängt ein orangefarbener Faden heraus, der in jedem Bild fortgesetzt und integriert wird. So gehört er z.B. bei der Katze zum Wollknäuel, mit dem gespielt wird, und bei den Affen wird er zu einem langen Schwanz. Beim Bär ist er Teil der Angelschnur und bei der Qualle setzt sich einer der Tentakel im Faden fort. Hier kann man gemeinsam viel entdecken und erzählen. Den Titel des Buches finde ich allerdings ein wenig irritierend. „Leg los“ ist eine Aufforderung, die es nahe legt, dass man hier selbst aktiv werden kann. Dafür ist jedoch der Faden zum Teil zu kurz bzw. gibt es keine sinnvolle Handlung, die das Bild nahe legt. Man kann aber z.B. den Faden als Zunge des Chamäleons aufrollen oder vorsichtig an der Schnur des Hampelfuchses ziehen. Wer hier mehr Interaktion erwartet, kann von dem Buch enttäuscht werden. Ansonsten ist es spannend zu sehen, in was sich der Faden alles verwandelt und wo er wie zur Anwendung kommt.
Leg los von Henrike Wilson und Iris Wolfermann, Carlsen Verlag, ISBN: 978-3-551-51203-1, 14€
Bilderbuch “Pass auf!”
Auch das Bilderbuch „Pass auf!“ kommt ganz ohne Text aus. Allerdings wird hier im Gegensatz zu „Leg los“ in reduzierten Bildern eine fortlaufende Wintergeschichte erzählt. Zwei Kinder schauen aus dem Fenster und entdecken draußen etwas. Was da wohl vor sich geht? Sie freuen sich über den kleinen Vogel und die lustigen drei Häschen. Doch dann verändern sich ihre Gesichtsausdrücke. Sie haben die Katze gesehen, die sich auf den Vogel stürzen will. Kurz darauf freuen sich die Kinder jedoch wieder. Worüber wohl? Ein großer Bär erscheint und verjagt die Katze. Aber es bleibt trotzdem spannend, denn schnell wendet sich der Verlauf der Geschichte wieder.
Das Buch ist klasse aufgebaut und spielt mit den Erwartungen, die sich durch die Gesichtsausdrücke der Kinder aufbauen. Man sieht sofort, dass draußen etwas passiert. Mal etwas, was die Kinder glücklich macht, mal erschrecken sie. Gemeinsam kann man spekulieren, wie es weitergeht um dann vielleicht überrascht festzustellen, dass die Geschichte doch ganz anders verläuft, als man zunächst vermutet hat. Spannend, wie viel hier ohne Worte erzählt wird. Und gerade diese Mischung – das Fehlen des Textes und der aufregende Aufbau der Geschichte – ist genial und lässt einen dieses Buch immer wieder gucken.
Pass auf! von Silvia Borando, Freies Geistesleben, 978-3-7725-2921-4, 14€
Tolle Geschichten ganz ohne Worte erzählen übrigens auch die Bilderbücher „Die Torte ist weg“ und „Krokodrillo“ (ausgezeichnet mit dem Leipziger Lesekompass), die ich euch bereits in je einer Rezension vorgestellt habe.