Astrid Lindgren als Lektorin in einem Kinderbuchverlag
Wenn ich schon mal in Schweden bin, dann muss ich mir dort natürlich auch Bücher auf Schwedisch kaufen. Und wenn man so viele Ausflüge rund um Astrid Lindgren macht, dann ist da selbstverständlich auch ein Buch über Astrid Lindgren dabei. Viel Auswahl bleibt mir da zwar nicht, da ich viele Bücher schon besitze, aber ich habe noch eins entdeckt: „Den okända Astrid Lindgren“ (Die unbekannte Astrid Lindgren)
Das musste also mit und ich habe es sehr interessiert durchgelesen und möchte euch heute ein wenig über diese Lektüre mitteilen, denn soweit ich weiß, gibt es dieses Buch (noch?) nicht auf Deutsch.
Astrid Lindgrens Arbeit in einem Verlag
Dieses Buch über Astrid Lindgren handelt über ihre Arbeit im Verlag. Neben ihrer Schriftstellertätigkeit hat Astrid Lindgren um die 24 Jahre in dem Verlag gearbeitet, in dem auch ihre Bücher herausgekommen sind: Rabén & Sjögren. Sie war dort (zunächst alleine) in der Kinderbuchabteilung tätig, die sie weitestgehend aufgebaut und zum Erfolg geführt hat. Wahrscheinlich würde man sie am ehesten als Lektorin bezeichnen, wobei sie weitaus mehr tat, als Manuskripte durchzugehen, den Kontakt zu Schriftstellern und Illustratoren zu halten etc. Sie stellte die Bücher auch Buchhandlungen vor, hatte Kontakte zu ausländischen Verlagen und Journalisten, schrieb Werbe- und Klappentexte, übersetzte Bücher aus dem Englischen/Amerikanischen und einiges mehr.
Es ist wirklich sehr spannend über ihre Arbeit im Verlag zu lesen. Als Verlagsfrau konnte sie nicht nur auf die Bücher setzen, die sie als gute Literatur empfand, sondern musste auch die wirtschaftliche Lage im Blick haben. Es waren also neben Büchern, mit denen man eventuell auch etwas wagte, Bücher notwendig, die massenweise verkauft wurden und so gab sie unter anderem auch Bücher wie die 5 Freunde von Enid Blyton heraus. Ansonsten machte der Verlag auch großen Gewinn durch ihre eigenen Bücher. Teilweise machten ihre Bücher 40 % der Verkäufe aus.
Niveauvolle Kinderbücher etablieren
Der Verlag Rabén & Sjögren hatte es sich dennoch grundsätzlich auf die Fahne geschrieben, gute Kinderbücher herauszubringen und das Kinderbuch mehr in den Fokus zu rücken. Viele schwedische Schriftsteller haben bei diesem Verlag debütiert und wurden dort zu erfolgreichen Schriftstellern, aber der Verlag hat auch wichtige ausländische Kinderbücher auf den schwedischen Markt gebracht. In der Zeit, in der Astrid Lindgren in dem Verlag gearbeitet hat, fiel die Entscheidung, ob ein Kinderbuch vom Verlag herausgebracht wird oder nicht, stets durch sie. Es ist schwierig an dieser Stelle Beispiele anzuführen, da einige Schriftsteller und deren Bücher hauptsächlich in Schweden von großer Bedeutung für das Kinderbuch waren.
Eine Autorin, die von Astrid Lindgren betreut wurde, war z.B. Barbro Lindgren (nicht verwandt miteinander). Zu ihrem Buch „Loranga – Der beste Papa der Welt“ gibt es hier auf dem Kinderbuchblog eine Rezension. Für kleine Kinder sind auch ihre Bücher über Max und seinem Wauwau bekannt.
Sehr interessant ist übrigens auch ein Blick in Astrid Lindgrens Wohnung in der Dalagatan in Stockholm. Dort kann man die einzelnen Bücher, die in ihrem Regal standen, erkunden.
Astrid Lindgren als Übersetzerin und Herausgeberin
Astrid Lindgren übersetzte zum Beispiel ein Buch von Tomi Ungerer sowie ein Buch von Margret und H.A. Rey brachte sie heraus. H.A. Rey ist der Autor von den Büchern über den Affen Coco, die ebenfalls bei dem Verlag herausgebracht wurden. Das andere Buch (auf Schwedisch „Pricken“) ist aber von seinem Inhalt, der sich gegen jede Form von Diskriminierung richtet, noch bedeutsamer. Ich habe es aber leider nicht auf Deutsch gefunden. Außerdem brachte Astrid Lindgren den kleinen Prinzen, den Elefanten Babar, Emil und die Detektive und die rote Zora (welches zu dem Zeitpunkt in Schweden jedoch nicht erfolgreich war) bei Rabén & Sjögren heraus.
Intensiver Kontakt zu den Autorinnen und Autoren
Astrid Lindgren scheint eine wunderbare Besetzung im Verlag gewesen zu sein. Allerdings war es natürlich auch problematisch, dass sie eine Doppelrolle ausführte. Ihre eigenen und zudem sehr erfolgreichen Bücher wurden ja ebenfalls in diesem Verlag herausgebracht, was durchaus zu Neid und Missstimmung bei anderen AutorInnen führen konnte. Allerdings hatten die meisten Autorinnen und Autoren einen guten und von Respekt geprägten Kontakt zu Astrid Lindgren.
Einige Briefwechsel zwischen ihr und einzelnen Autorinnen und Autoren sind erhalten geblieben und zeugen von einem sehr einfühlsamen Ton seitens Astrid Lindgrens. Stets hatte sie ein Lob für die SchriftstellerInnen. Selbst Kritik oder die Ablehnung eines Textes wurde von freundlichen Worten begleitet. Man spürt wie intensiv und genau sie jedes einzelne Manuskript gelesen und sich damit beschäftigt hat, auch wenn es zu einer Ablehnung kam. Teilweise kamen ihre Anmerkungen zu einem Manuskript einem Schreiblehrgang gleich. Sie gab viele hilfreiche Tipps und berief sich dabei in ihren Briefen auf immer wieder auf klassische Werke.
Manchmal mag sie sich in die Texte sehr stark eingemischt haben, was verständlicherweise nicht immer gut ankam. Doch im Rückblick sind ihr viele Autorinnen und Autoren dann doch dankbar für ihre Art und Weise der Begleitung.
Übrigens gingen ihre eigenen Bücher durch kein Lektorat. Sie hat sie selber mehrfach überarbeitet und so wie sie dann am Ende waren, kamen sie dann im Verlag heraus.
Spannende Einblicke
Ich fand das Buch „Den okända Astrid Lindgren“ sehr interessant. Vermutlich wäre eine Übersetzung des Buches nicht so einfach, da längst nicht alle Bücher und AutorInnen, die hier genannt werden, in Deutschland bekannt sind. Wie gut also, dass ich es mir in Schweden gekauft habe!
Den okända Astrid Lindgren – Åren som bokförläggare och chef, von Kjell Bohlund, Astrid Lindgren Text, ISBN: 978-91-87659-15-7
Auf meinem Kinderbuchblog findet ihr übrigens auch eine Rezension zu einer wunderbaren Biographie von Astrid Lindgren.