Rezension: Die Waschanlage der Schutzengel
Bei dem Titel des Kinderbuches „Die Waschanlage der Schutzengel“ horcht man automatisch auf. Was soll das denn sein?
Als man dann direkt am Anfang der Geschichte erfährt, dass die Familie von Justin und Holly eine Tankstelle mit Waschanlage geerbt haben, ahnt man schon, dass dies etwas mit dem Titel zu tun hat. Die Tankstelle ist dann auch tatsächlich etwas merkwürdig, denn sie liegt mitten in einem Naturschutzgebiet in das man nur mit Sondergenehmigung mit dem Auto fahren darf. Große Augen machen alle, als sie die Kisten in der Waschanlage entdecken. Sie sind randvoll mit Geldmünzen gefüllt. Woher kommt das Geld? Und was geht in der Waschanlage vor? Justin versucht diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen und steht auf einmal einem Engel gegenüber.
Märchenhafte Geschichte
Die Idee mit der Waschanlage der Schutzengel, in der die Engel ihre schmutzigen Flügel reinigen, ist zauber- und märchenhaft. Der Gedanke daran lässt einen so schnell nicht los und man taucht gerne in die Welt dieser Geschichte ein. Und was ist eigentlich mit den eigenen Schutzengeln? Müsste man ihnen nicht auch mal mehr Ruhe gönnen und aufmerksamer durchs Leben gehen? Das Buch regt also zum Nachdenken an. Es zeigt uns unsere heutige Welt, in der ständig von einer Sache zur anderen gehetzt wird ohne dass man mal zur Ruhe kommt. Selbst die Schutzengel haben keine Zeit mehr ihre Flügel zu säubern, obwohl sie nur mit sauberen Flügeln unbeschwert fliegen und beschützen können.
Interessante Figuren
Ich persönlich habe ein wenig Probleme mit der Figur Justin. Eigentlich ist er genau so richtig, wie er ist. Er kommt als lieber und sehr sympathischer Junge herüber, den man sofort mag. Wenn man etwas ändern würde, wäre er nicht mehr dieser nette Junge, aber dennoch passt manches für mich nicht so ganz. Er ist für sein Alter (10 Jahre) wirklich ziemlich naiv und etwas unwissend. Selbst bei den achtjährigen Kindern aus meinem Umfeld kenne ich keines, das sich so naiv gibt. Jünger machen kann man ihn aber auch nicht, denn dann würde seine Leseschwäche im Vergleich zu Gleichaltrigen noch nicht so auffallen. Auch in Verbindung mit seiner Leseschwäche gefällt mir seine Naivität, die man leicht mit Dummheit verwechseln kann, nicht ganz so, denn natürlich sind Kinder, die eine Leseschwäche haben, nicht dumm. Diesen Eindruck könnte man hier aber ein wenig gewinnen. Ich gebe aber auch wiederum zu, dass Justin ohne diese Naivität eben nicht dieser liebenswerte Junge ist, wie wir ihn in dem Buch kennen lernen. Er muss also scheinbar so sein, wie ihn die Autorin erschaffen hat, auch wenn man als LeserIn über die eine oder andere Sache etwas irritiert ist.
Insgesamt sind die Figuren in der Geschichte sehr interessant und auch unterschiedlich, was sich auch in den Bildern gut widerspiegelt. Obwohl die Mutter ziemlich aufgeweckt wirkt, sind die Rollen der Eltern allerdings ziemlich traditionell aufgeteilt. Warum kann denn zum Beispiel nicht die Mutter einkaufen fahren, sondern sich nur die Einkäufe ins Haus tragen lassen? Und da sie keine Ahnung von Kabeln etc. hat, backt sie lieber Brownies.
Ruhige Erzählung
Der Anfang der Erzählung zieht sich ein wenig. Alles wird in einem ruhigen Tempo erzählt. Es überrascht mich ehrlich gesagt auch, dass Justin zu diesem Zeitpunkt bereits so ein großes Interesse an Engeln hat.
Die Geschichte spielt an einem tollen Ort. Man kann sich alles prima vorstellen und ich finde es schön, dass wir hier literarisch nach England entführt werden.
Thema Leseschwäche
Ich finde es auch sehr gut, dass hier das Thema Leseschwäche ganz natürlich mit eingewoben wurde. Es ist eine Thematik, über die häufig nicht gesprochen wird, die aber bei einigen Kindern im Alltag eine Rolle spielt. Schön, dass sie hier einfach dazugehört. Zwar wird sie als Problematik wahrgenommen, aber sie gehört zu Justin dazu. Sie ist einer von vielen Teilen von ihm.
Herrliche Illustrationen
Insgesamt gefällt mir der Erzählstil des Buches gut, der auch gut zum Inhalt passt. Es wird sehr anschaulich erzählt. Wilde Action und Tempo sind hier fehl am Platz. Toll finde ich auch, dass es kaum Seiten gibt, auf denen nicht zumindest ein kleines Bild zu sehen ist. Wer sie aufmerksam betrachtet, entdeckt nicht nur ein paar witzige Details, sondern erspäht auch schon mal einen kleinen Engel. Das Zusammenspiel von Text und Bildern gefällt mir hier sehr gut. Wenn man vielleicht durch den Text alleine noch kein passendes Bild vor Augen hat, so helfen einem hier die Bilder weiter, lassen aber dennoch genügend Platz für die eigene Fantasie.
Leider kann ich euch noch nicht sagen, was mein Sohn zu dem Buch sagt, denn er hat es noch nicht gelesen (gerade verlocken ihn Comics, Harry Potter, Gregs Tagebuch und Woodwalkers zu sehr um Zeit für andere Bücher zu haben…). Ich würde allerdings wirklich gerne wissen, wie es bei ihm ankommt, denn ich kann es schwer einschätzen, ob ihn dieses etwas träumerische Buch in den Bann ziehen kann.
Ein richtig tolles Buch der Autorin Petra Steckelmann ist übrigens das Bilderbuch „Die Nachtschwärmer“, welches ich euch auch auf dem Blog in einer Rezension vorgestellt habe.
Die Waschanlage der Schutzengel von Petra Steckelmann, illustriert von Mele Brink, Edition Pastorplatz, ISBN: 978-3-943833-35-5, 13€