Traurig und berührend: Ein Comic zum Thema Holocaust
Wieder einmal wandert ein Buch durch den Campus Libris, wieder einmal ist es ein wichtiges Buch und wieder einmal ist es ein Buch für alle (so wie bereits “Der Traum von Olympia – Die Geschichte von Samia Yusuf Omar“): „Das versteckte Kind“. Auch wenn die eigentliche Zielgruppe dieses Buches ältere Kinder und Jugendliche sind, so vermag es genauso Erwachsene zu berühren. Mich jedenfalls hat dieses Buch tief bewegt und sein Inhalt und seine Bilder bleiben auch weit nach dem Lesen noch in meinen Gedanken.
Ich kann nur jedem raten: Lest dieses Buch und schaut es euch mit Jugendlichen an. Es könnte dazu beitragen, dass junge Menschen alles dafür tun möchten, damit nie wieder Menschen unter den Schrecken und den ideologischen Wahnsinn wie in der Zeit des Nationalsozialismus im Dritten Reich.
„Das versteckte Kind“ ist ein Comic zum Thema Holocaust und gerade weil hier ein Kind im Vordergrund steht, macht dieses Buch so betroffen. Man fühlt und leidet mit, man spürt die Ungerechtigkeit beinahe körperlich, man wird traurig und bekommt vielleicht sogar Angst, wenn man sich so manch eine Entwicklung in der Gesellschaft anschaut, aber aus diesem Gefühl der Betroffenheit kann auch der Wunsch und der Mut entstehen, sich stark zu machen, für Menschen, die unterdrückt und ausgegrenzt werden, sich stark für ein gleichberechtigtes Menschenbild zu machen, Nächstenliebe zu leben und ideologischem Wahnsinn entschieden entgegen zu treten.
Ob die Geschichte von Dounia Cohen, dem versteckten Kind, dazu beitragen kann? Ich denke schon, denn Dounia Cohen lässt in dem Buch ihre Enkelin Elsa sowie alle Leser sehr nah an die Geschehnisse damals herankommen. Es bleibt nicht bei einer bloßen Geschichtsstunde, nein, es geht um das Erleben eines Kindes, um die Gefühle und vor allem die Ängste, die ein kleines jüdisches Mädchen, ausstehen musste.
Elsa merkt, dass ihre Großmutter Dounia Cohen traurig ist und möchte gerne den Grund erfahren. Die Großmutter, die sich an ihre Vergangenheit erinnert hat, lässt die Enkelin an ihren Gedanken und ihrer Geschichte teilhaben. Sie erzählt. Ja, es handelt sich hier wirklich um die Erzählung einer Großmutter, auch wenn die erlebten Szenen wie in einer Geschichte dargestellt werden. Aber stets hört man die Stimme der Großmutter, ihre Überlegungen, ihre Erklärungen, ihre Gefühle. Eigentlich hatte Dounia eine schöne Kindheit. Sie hatte liebevolle Eltern, sie ging gerne zur Schule und sie hatte Freunde. Doch dann kam der Tag, an dem der Vater erklärte, dass jeder in der Familie von nun an einen Stern zu tragen habe. Der Papa nannte den Stern einen Sheriff-Stern, aber als Dounia mit ihm stolz in die Schule ging, wurde sie auf einmal von allen anders behandelt. Sie wurde ausgegrenzt und gar nicht mehr nett behandelt. In der Schule musste sie sich in die letzte Reihe setzen und zum Unterricht beisteuern durfte sie auch nichts mehr.
Irgendwann wagte sich die Familie kaum noch nach draußen und die Lage wurde immer schlimmer. Ja, auch Dounias Familie blieb das Schicksal der Deportation und des Konzentrationslager nicht erspart. Nur ein kleines Mädchen konnte dem entgehen: Dounia. Ihre Eltern konnten sie gerade noch rechtzeitig im Schrank verstecken. Zum Glück gab es auch in dieser schlimmen Zeit gute Menschen und davon brauchte es einige, um Dounia, die nun ihren Namen verändern musste, an einen sicheren Ort zu bringen. Dounia wurde gerettet, aber Angst und die Sehnsucht nach ihren Eltern begleiteten sie stets auf ihrem Weg. Auch als der Krieg beendet war, war das Leiden noch nicht vorbei, denn nun gingen Dounias Helfer und Dounia auf die Suche nach den Eltern, aber die Opferlisten sind sehr lang. Dounias Mama stand auf keiner. Sie hatte überlebt, aber bei ihrem Anblick zieht sich nicht nur Dounia das Herz zusammen. Und auch wenn man dann liest, dass Dounia nie aufgehört hat, auf die Rückkehr ihres Vaters zu warten, muss man noch einmal schlucken.
Ich hatte ja schon mal geschrieben, dass ich kein Comic-Fan bin, aber dieses Buch, welches einem so nah geht, belehrt mich mal wieder eines besseren. Eigentlich sind auf den Bildern nicht viel mehr als die Figuren zu sehen, welche ebenfalls keine großen Details aufweisen. Aber die Gesichtsausdrücke sowie die Körperhaltungen in Kombination mit der Erzählung der Großmutter vermögen es auf unglaubliche Art und Weise einen zu berühren. Besonders die Momente der Ausgrenzung in der Schule und das Unverständnis bei dem kleinen Mädchen haben mich unglaublich traurig gemacht. Wie kann man Menschen, wie kann man Kindern so etwas nur antun? Lest dieses Buch, stellt euch diese unausweichliche Frage, weint mit Dounia und tretet dafür ein, dass dies nie wieder jemandem angetan wird.
Das versteckte Kind von Loic Dauvillier, Marc Lizano, Greg Salsedo, übersetzt von Monja Reichert, Panini Comics, ISBN: 978-3-86201-774-4, 16,99€
Pingback: M. Liziano, L. Dauvillier, G. Salsedo „Das versteckte Kind“ (Graphic Novel) | Das Niliversum
Pingback: pelzige Lektüre: Das versteckte Kind von Loïc Dauvillier, Marc Lizano und Greg Salsedo | lesende Samtpfote