Vorlesen im Kindergarten: Einfache Sätze lassen Kinder begeistert mitsprechen
Gestern war ich wieder im Kindergarten vorlesen. Dieses Mal kamen die Kleinen (3- und 4-Jährige) in den Genuss meiner ausgewählten Geschichten. Ich habe zwei Geschichten mit Tieren und Leckereien ausgesucht, bei denen die Kinder gut mitmachen konnten: „So weit oben“ und die Geschichte vom dicken, fetten Pfannekuchen.
Das Pappbilderbuch „So weit oben“ hat bereits die Eltern beim Vortrag begeistert und wurde zudem vom Leipziger Lesekompass, einer Orientierungshilfe im Buch- und Medienmarkt, ausgezeichnet, was meinen eigenen positiven Eindruck des Buches natürlich verstärkt hat, so dass ich mich letztendlich für dieses Buch entschieden habe, obwohl es eigentlich für kleinere Kinder ist. Da ich aber das erste Mal für die Gruppe der 3- und 4-Jährigen vorgelesen habe und die Kinder alle unterschiedliche Leseerfahrungen mitbringen, fand ich dieses Buch als Einstieg gut geeignet. Es beinhaltet eine einfache, kurze Geschichte, die nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne benötigt, und es besteht die Möglichkeit, dass die Kinder mitsprechen können.
Zunächst sieht man noch ein großes Haus, bei dem oben ein Fenster geöffnet ist. In diesem Fenster steht ein verlockender Kuchen. Nun kommt das erste Tier vorbei, ein Bär. Er sieht den Kuchen und möchte ihn natürlich gerne haben, aber der Kuchen ist „so weit oben“ und der Bär ist „so weit unten“. Als nächstes kommt ein Schwein. Es zögert nicht lange und springt auf den Bären, aber der Kuchen ist immer noch „so weit oben“ und die Tiere sind „so weit unten“. Nach und nach kommen immer mehr Tiere, die sich aufeinander aufbauen, doch das Problem bleibt bestehen. Als letztes kommt ein Kind, das Fenster geht zu, der Kuchen ist weg, alle Tiere purzeln enttäuscht auf die Erde. Doch dann öffnet sich die Tür und das Kind präsentiert den Kuchen für alle. Die Geschichte ist einfach klasse! Neben den klaren Bildern, bei denen nichts von dem Geschehen rund um die Tier-Räuberleiter und dem Kuchen im Fenster ablenkt und die den Fortlauf der Geschichte gut darstellen, bleibt die Struktur des Textes bleibt von Seite zu Seite gleich und wird einfach durch das hinzukommende Tier erweitert. Dabei sind die Sätze ganz kurz und einfach und sagen nur das allernötigste aus. Aber gerade durch diesen einfachen Aufbau wird es Kindern ermöglicht sowohl die Sätze als auch den Inhalt zu durchschauen und schon schnell wissen sie, wie die Geschichte weitergeht und können den Text mitsprechen. Einige Kinder lächelten nur still vor sich hin, während sie sich darüber freuten, dass der erwartete Text vorgelesen wurde. Andere waren schon ein wenig mutiger und sprachen einzelne Wörter und am Ende auch teilweise ganze Sätze mit, aber alle Kinder waren wirklich bei der Sache und verfolgten das Gesehen in dem Buch gespannt. Als es dann für alle Tiere Kuchen gab, war auch die Freude bei den ZuhörerInnen groß. Man merkte richtig, wie sie mitgefiebert hatten und ich habe gestaunt, dass selbst Kinder, die mir ansonsten beim Bringen und Abholen meines Sohnes als sehr unruhig auffielen, still an ihrem Platz sitzen blieben. Da merkt man mal wieder, dass Geschichten alle Kinder interessieren und dass es wichtig ist, dass alle Kinder die Gelegenheit bekommen, herauszufinden, wie viel Spaß man mit Büchern haben kann. Die Wahl des Buches „So weit oben“ war jedenfalls nicht verkehrt und zeigt mir wiederum, dass man nicht zu sehr auf die Altersangaben eines Buches achten sollte bzw. dass man Bücher, die bereits für kleine Kinder geeignet sind, nicht als „Babykram“ abtun sollte, sondern sie ruhig daraufhin prüfen sollte, ob in ihnen nicht auch noch etwas für die Größeren steckt.
So weit oben von Susanne Straßer, Peter Hammer Verlag, ISBN: 978-3-7795-0498-6, 14,90€
Da das Buch so kurz ist, hatte ich noch eine zweite Geschichte dabei. Nachdem ich die Kinder, die noch so still und erwartungsvoll im Halbkreis saßen, gefragt hatten, ob sie Lust auf eine weitere Geschichte hätten, ging es nun um den dicken, fetten Pfannekuchen, noch ein Gebäck, welches den Appetit von verschiedenen Tieren anregt. Hier hatte ich allerdings kein Buch, sondern ich habe die Geschichte mit Hilfe einiger großer Bilder den Kindern erzählt. Das Prinzip der Geschichte ist ähnlich wie bei dem Buch „So weit oben“, denn auch hier bleibt der Text im Großen und Ganzen immer der Gleiche. Zwar trifft der Pfannekuchen auf verschiedene Tiere, doch den Dialog können die Kinder auch hier schnell mitsprechen: „Dicker, fetter Pfannekuchen, bleib stehen, ich will dich fressen.“ Bei der Antwort des Pfannekuchens werden dann alle Tiere aufgezählt, denen er bereits begegnet ist und da ich die Bilder in der Reihenfolge, in der ich erzählt habe, auf dem Boden ausgelegt habe, können die Kinder auch hier gut mitsprechen: „Ich bin schon drei alten Frauen, dem Hasen, dem Wolf, dem Reh… davongelaufen, da sollte ich dir, nicht davonlaufen?!“ Allein die Aussprüche der Tiere „dicker, fetter Pfannekuchen“ und „ich will dich fressen“ sorgten schon für Begeisterung bei den Kindern. Da sie nun von dem vorangegangenen Buch bereits wussten, dass es durchaus erwünscht ist, wenn sie sich an der Geschichte beteiligen, sprachen nun auch schon ein paar mehr Kinder den Text mit. Als ich fertig war, riefen einige Kinder sofort „Noch mal!“ Das hat mich natürlich sehr gefreut und so habe ich ihnen noch einmal das Buch „So weit oben“ vorgelesen und sie konkret zum Mitmachen aufgefordert. Wir haben den Text nun nicht nur gemeinsam gesprochen, sondern auch bei „so weit oben“ hoch und bei „so weit unten“ nach unten gezeigt. Das angehängte Vorlesen war für manche Kinder dann aber doch ein wenig zu viel. Vielleicht hätte ich nach der Erzählung des Pfannekuchens aufhören sollen, aber es hatte mich einfach so gefreut, wie toll die Kinder bei der Sache waren und dass sie sich eine Wiederholung gewünscht hatten. Trotzdem war auch diese Vorleseaktion insgesamt gelungen und hat viel Spaß gemacht. Etwas schwierig war es, dass bei dieser Gruppe auch mein Sohn dabei war, der es nicht gut ertragen konnte, wenn ich statt ihm ein anderes Kind dran genommen hatte… Aber letztendlich haben wir auch das in den Griff bekommen und ich freue mich schon, wenn ich nach Ostern wieder mit einem Buch in den Kindergarten kommen werde!
Danke für den Bericht, vor allem über die Praxisseite. Wie hast Du es mit den Bildern im ersten Buch gemacht? Sie reihum gezeigt und gleichzeitig vorgelesen?
Die Kinder saßen im Halbkreis vor mir und ich habe ihnen beim Lesen die Bilder gezeigt. Der Text ist so einfach, dass ich ihn von oben bzw. halb auswendig lesen konnte. Bei mehr Text lese ich erst und zeige dann die Bilder, manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge, wenn ich die Kinder auf etwas aufmerksam machen möchte.
Danke schön, jetzt kann ich es mir sehr plastisch vorstellen.
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