Im gewebten Schal spiegelt sich das bunte Leben wider
Es gibt Bücher, deren Idee mich sofort überzeugt und neugierig macht, deren Umsetzung dann aber leider nicht so ganz das meine ist. Aber manchmal sind selbst dann einige dieser Bücher eine Bereicherung für das Bücherregal. So ein Fall ist zum Beispiel das Buch „Opa Bär und sein langer bunter Schal“.
Opa Bär hat einen langen bunten Schal. Den findet der kleine Bär natürlich klasse und noch spannender wird es, als der Opa ihm erzählt, dass alle Farben in dem Schal etwas zu bedeuten haben. Für alle Erlebnisse im Leben des Opas werden weitere Reihen gewebt, wobei sich traurige Tage mit dunklen Farben im Schal verewige, während fröhliche Ereignisse in bunten, leuchtenden Farben dargestellt werden. Gemeinsam denken Opa Bär und der kleine Bär über das Leben nach. Was macht sie glücklich? Was hält sie warm? Was verbindet sie miteinander? Und immer wieder werden diese Überlegungen mit den passenden Farben verknüpft. Kein Wunder, dass der kleine Bär nun auch große Lust darauf hat, seinen eigenen Schal, seinen Schal des Lebens zu weben.
Manche Farben im Schal sind schon festgelegt, man hat einiges von seinen Eltern und Vorfahren geerbt, man hat schon einiges erlebt, aber anderes liegt noch vor einem, man kann selbst bestimmen, was man mit dem, was man bereits hat, machen möchte. Der Schal ist noch lange nicht zu Ende gewebt und wie er am Ende aussieht, bestimmt man zu einem großen Teil selber.
An sich gefällt mir diese philosophische Ebene in dem Buch. Mir gefällt, der Austausch zwischen Opa und Enkel und auch dass viele Aspekte, die das eigene Leben eben ausmachen (Gene, Neigungen etc.) miteinander verwoben werden. Allerdings ist mir manches dann doch zu kompliziert, insbesondere der Punkt mit den Fäden, die in verschiedene Richtungen gehen und unterschiedliche Bedeutungen haben. Dies ist für Kinder nicht ganz so einfach nachzuvollziehen. Da fällt es mir selbst schwer zu verstehen, welche Fäden, wann gemeint sind. Die einen gehen hoch und runter und die anderen laufen quer dazu, soweit eigentlich recht klar, aber irgendwie ist das im Buch dann doch schwer auseinander zu dividieren. Hier habe ich das Gefühl, dass hier zu viel gewollt wird und zu großer Wert darauf gelegt wird, das Leben durch das Weben in seinen vielen Facetten passend und umfassend zu spiegeln. Für mich wird an dieser Stelle zu viel erklärt.
Besonders gut gefällt mir das Bild eines Schals, der das Leben darstellt. Da kann man ja wirklich ganz toll durch verschiedene Muster und Farben vieles hineinweben.
Bücherwürmchen und ich haben die Idee gleich aufgegriffen und unseren eigenen Schal des Lebens auf ein großes Blatt Papier aufgemalt. Das hat sehr viel Spaß gemacht und vor allem ist es auch sehr spannend, welche Ereignisse das Kind so wichtig findet, dass es sie in seinem Lebensschal aufnimmt. Aus diesem Grund kann ich das Buch auch aus ganzem Herzen empfehlen. Es ist eine hervorragende Anregung um mit seinem Kind das eigene Leben bildlich zu reflektieren.
Bücherwürmchen hat neben seiner Geburt zum Beispiel hauptsächlich Streifen für Dinge gemalt, die er gerne mag. Auch schöne Ausflüge oder Urlaube bekamen ihren Platz. Außerdem hat er seinen Namen in Szene gesetzt und betont, dass er ein Kind und ein Junge ist. Später kamen dann noch ein paar Sachen hinzu, vor denen er Angst hat und dass er nicht so oft Eis isst, weil „meine Eltern das so wollen“…
Die Bilder in dem Buch sind schön. Sie setzen das Gespräch von Opa Bär und dem kleinen Bären liebevoll in Szene. Der Schal und verschiedene Farben spielen auf den Bildern eine große Rolle, aber auch die besondere Beziehung zwischen Opa und Enkel kommt gut heraus.
Mein Fazit: Idee, Geschichte und Bilder in dem Buch können mich überzeugen. Leider wird an einer ausführlichen Stelle zu viel erklärt, was etwas störend wirkt. Das Buch lässt einen an dem tiefgehenden Gespräch zwischen Opa Bär und kleinem Bär teilhaben und es regt dazu an, selbst über das eigene Leben nachzudenken und diese Überlegungen auch kreativ festzuhalten.
Opa Bär und sein langer bunter Schal von Gillian Heal und Angela Holzmann, übersetzt von Annina Bauder, Patmos Verlag, ISBN: 978-3-8436-0586-1, 12,99€