Warum ich mein Kind noch nicht in die digitale Welt einführen möchte
Heutzutage muss man mit neuen technischen Dingen umgehen können. Man muss lernen im Internet und mit digitalen Medien zurecht zu kommen, aber muss man das auch schon als kleines Kind lernen? Ab wann sind E-Book-Reader und Apps sinnvoll? Meines Erachtens muss ein dreijähriges Kind sich noch nicht damit auskennen. Sicherlich gibt es auch für dieses Alter wirklich toll gemachte Apps, die auch kindgerecht sind, aber muss man ein Kind wirklich schon in diese Welt einführen? Kommt das nicht sowieso noch früh genug?
Ich bin selbst mit solchen Dingen schnell zu begeistern und lasse mich da gerne verführen, aber dennoch möchte ich meinen Sohn nicht all zu früh damit vertraut machen. Mit dem digitalen Ting-Stift haben wir zwar bereits Bücher angeschaut, aber ehrlich gesagt, war ich selbst davon und von den neuen Möglichkeiten beim Buchschauen begeisterter als mein Sohn. Gerade gestern noch haben wir uns ein solches Buch angeschaut, aber Bücherwürmchen wollte es „nur mit dem Mund und nicht mit dem Stift anschauen“…
Warum aber wehre ich mich so dagegen, meinem Kind jetzt schon Apps und ähnliches zu zeigen? Es ist doch nicht schädlich, oder? Das vielleicht nicht, aber um später auch das gedruckte Buch wertschätzen zu können, muss man es erst einmal kennen und lieben lernen. Später kann man dann in bestimmten Fällen immer noch auf einen E-Book-Reader zurückgreifen, was ich persönlich auch tue. Ich nutze ihn, aber dennoch fehlt mir beim Lesen etwas. Ich kann nicht so herumblättern wie in einem Buch, man sieht nicht wie dick ein Buch ist und dass es schon häufig gelesen wurde und es ist eben nicht das „Buch-Gefühl“, welches man hat, wenn man mit einem Buch in der Hand auf dem Sofa sitzt. Dafür geht es doch zu sehr in Richtung Computer, Smartphone und die digitale Welt. Irgendwie ist es zu unpersönlich. Für Bücher, die man nur einmal liest, z.B. leichte Urlaubslektüre, ist dies völlig in Ordnung, aber ein E-Book-Reader ist für mich nichts für Lieblingsbücher und Buchschätze, die das Regal schmücken und die man anderen ans Herz legen möchte. Wie bekommt man eine Beziehung zum gedruckten Buch, wenn man von klein auf die digitale Version kennt? Nein, diese Liese zu Büchern, gedruckten Büchern mit vielleicht verstaubten Seiten und diesem speziellen Geruch möchte ich meinem Sohn nicht verwehren!
Meine alte Puppenstube
Außerdem ist es doch gerade auch bei Kinder- und Bilderbüchern schön, wenn man sie an seine eigenen Kinder weitergeben kann. Ich freue mich jedenfalls darauf, die Bücher aus meiner Kindheit mit Bücherwürmchen gemeinsam anzuschauen und darin wieder zu blättern. Bei den digitalen Büchern weiß man doch jetzt noch gar nicht, ob es dieses Format in 30 Jahren noch gibt. Zum weitergeben sind sie zu unpersönlich, in ihnen ist nicht vielleicht mal eine Seite vom Kind bekrickelt worden oder mit Tesafilm immer und immer wieder zusammengeklebt worden. Nun könnte man natürlich denken, was soll ein Kind mit diesen alten Schinken denn anfangen, aber ich glaube, dass die Bücher der Eltern auch für Kinder Schätze sein können. Ich habe mit großer Leidenschaft die Bücher meiner Eltern gelesen und Bücherwürmchen ist im Moment sehr an allem interessiert, was Mama und Papa früher gemacht haben und er freut sich über alles Spielzeug und über Bücher, die er von uns bekommt und mit denen wir uns schon beschäftigt haben. Und welche Sachen sind es denn, die einem selbst am Herzen liegen und die man an seine Kinder weitergeben möchte? Irgendwelche Dinge, die man am Computer gemacht hat? Nein, sicherlich nicht. Klar, ich erinnere mich auch sehr gerne an die Spiele, die ich am Computer gemacht habe (Tetris, Pacman etc.) oder auf dem Gameboy gespielt habe (z.B. SuperMario), aber daran hängt nicht mein Herz und es ist mir relativ egal, ob Bücherwürmchen diese Spiele kennen lernt oder nicht. Aber meine alten Bücher möchte ich ihm zeigen, ich lasse ihn mit meiner alten Puppenstube spielen, ich habe ihm einen Bauernhof aus Holz gebaut so wie es damals mein Vater gemacht hat, ich habe ein kleines Malbuch aufbewahrt, in dem mein Vater eine kleine Geschichte zu den Bildern geschrieben hat, das Märchenbuch aus dem meine Mutter immer vorgelesen hat, steht nun in unserem Bücherregal, ich möchte den Weihnachtsbaum so schmücken wie er bei uns früher aussah, ich habe in den Flur den Puppenschrank gestellt, den mein Vater bemalt hat, ich freue mich darauf mit Bücherwürmchen Schule und Bücherei zu spielen, wie ich es früher auch gemacht habe, meine alte Holzpyramide, bei der die Farbe der Figuren abblättert, steht jedes Jahr in der Weihnachtszeit auf dem Tisch genauso wie mein altes Räuchermännchen…
Diese Pyramide habe ich vor über 30 Jahren zur Taufe geschenkt bekommen.
Solche Erinnerungen und Kindheitserlebnisse in der realen Welt, in der man alles anfassen und erleben kann, möchte ich meinem Sohn auch bieten. Klar, er wird sich auch in der digitalen Welt zurecht finden müssen und das soll er auch, aber noch nicht unbedingt mit drei Jahren, denn zunächst soll er eine andere Basis und Welt kennen lernen, auf die er dann aufbauen kann. Übrigens braucht man auch fürs Wartezimmer keine Apps, die ja so toll das Warten überbrücken können, denn ein paar Pixibücher passen doch auch in jede Handtasche…
Den Bauernhof inklusive Hofladen habe ich für Bücherwürmchen gebaut.
Und ja, ich gebe zu, dass es natürlich in erster Linie um die Geschichte und den Inhalt geht und nicht um die Form, aber für Kinder ist auch das haptische Erleben wichtig. Und es ist schön, wenn ein Buch sie in ihrem Leben begleiten kann, dem man das Alter und das häufige Blättern ansieht, über das man zärtlich streichen kann und welches man, dann irgendwann weitergibt.
So, das war nun mein altmodisches Plädoyer für das gedruckte Buch, in welches man im Übrigen auch noch ein Autogramm bekommen kann, welches ein noch Jahre später an die Begegnung mit dem Autor erinnern wird.
Alte Bilderbücher
Kinder fassen gerne Dinge an – da sind Bücher ideal xD
Ich gebe dir vollkommen Recht mit dem, was du schreibst und sage sogar, dass es auf eine gewisse Art schon schädlich für die Kinder ist zu früh mit apps konfrontiert zu werden. Ich beobachte dies immer wieder beim Lausbub, der mittlerweile 7 Jahre alt ist.
Wie die meisten wissen ist er alle 14 Tage am Wochenende hier zu Besuch. Da wir diese Zeit so gut wie möglich für gemeinsame Unternehmungen und Aktivitäten nutzen möchten, haben wir ihm erst gar nicht erzählt, dass wir uns 1/2 Jahr nach dem Einzug doch eine DVBT-Antenne gekauft und somit Zugang zu Fernsehprogrammen haben und so gibt es hier schonmal gar keine Frage nach Fernsehen. Meist auch nicht nach ipad oder Nintendo. Doch manchmal kommt dies dann doch vor und dann soll er nach Aussage der Mutter auch 1h spielen dürfen.
Ich finde eine Stunde jetzt nicht schlimm, doch das, was meist danach folgt ist extrem anstrendend. Denn alles ist auf einmal langweilig, egal ob Lego, Bücher oder Gesellschaftsspiele. Alles doof!
Klar, denn “normales” Spielzeug bewegt sich ja nicht von alleine, spricht nicht und macht im Regelfall auch kaum realistische Geräusche. Außerdem muss man dabei ja seine eigene Fantasie anstrengen und bekommt keine Geschichte mit Bildern und Tönen vorgesetzt.
Genau dort sehe ich das Risiko bei diesen schön gestalteten Kinderapps. Gerade die Bücher sind sehr schön ausgestaltet. Oft bewegen sich Elemente im Bild passend zur Geschichte oder Tiere und Menschen geben beim Drauftippen passende Geräusche von sich. Das Kind bekommt alles in Farbe und Ton gezeigt, ohne dass es sich selbst noch viel überlegen muss. Fast wie im Film. Die Ausprägung der Fantasie bleibt auf der Strecke.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar und deine Sicht auf diese Dinge, die ja auch meiner entspricht 🙂
Toller Beitrag, den ich so nur unterschreiben kann. Als Medienpädagogin bin ich im Großen und Ganzen zwar dafür, Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen und ihnen nichts vorzuenthalten. Aber: Wie du sehe ich keine Notwendigkeit den Alltag von Kindern unter 3 (oder gar 5) Jahren digital zu gestalten. Zum einen brauchen Kinder Erlebnisse, die mehrere Sinne ansprechen (also etwas haptisches oder bei Büchern gar den Geruch), zum anderen können ganz kleine Kinder manches auf Tablet und Co. auch noch gar nicht richtig verarbeiten. Auch frage ich mich, welche Auswirkungen eine rein digitale Kindheit beispielsweise auf räumliches Vorstellungsvermögen oder Fantasie hätte. Bei Büchern kommt noch dazu, dass das gemeinsame Blättern im Buch ein ganz anderes Erlebnis ist als ein Klicken in einer App. Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen zählen die Vorlesestunden und wie du habe auch ich noch Bücher, mit denen bereits meine Eltern und deren Geschwister groß wurden. Die Bücher fallen zum Teil schon auseinander, aber ich würde es nie übers Herz bringen, sie wegzuschmeißen – immerhin steckt ein Stück Familiengeschichte darin. Mit Apps & Co. ist so etwas unmöglich.
Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine stehe. Kam mir schon ganz konservativ vor, dabei bin ich ja, so wie du es schreibst, auch nicht grundsätzlich gegen neue Medien. Aber alles zur rechten Zeit 😉
Du bist überhaupt nicht konservativ, insbesondere da du den “Neuen Medien” ansonsten ja aufgeschlossen gegenüber stehst. Ich wünschte gar, es gebe mehr mit deiner differenzierten Sichtweise! Als ich in meiner medienpädagogischen Arbeit auch thematische Elternabende durchführte, habe ich leider fast nur Extremfälle kennengelernt: Entweder waren die Eltern selbst völlig unerfahren, was Internet & Co. angeht und wollten am liebsten einen Knopf, mit dem sie ihre Kinder vor allen potenziellen Gefahren schützen können oder die Eltern waren sehr technikaffin und der familiäre Alltag gestaltete sich fast nur über Games, Internet etc.
Ich muss grad mal was ganz anderes kommentieren: du hast diesen Bauernhof selbst gebaut?!?! wow
Tatsächlich habe ich noch den Bauernhof meiner Schwester auf dem Dachboden stehen (soviel zu Schätzen aus der Kindheit), aber eine eigene Puppenstube etc würde ich schon gerne selbst bauen. Kann ich bei dir in die Lehre gehen?
Eine absolut beeindruckte Nicole
Im November 2013 habe ich diesen Bauernhof mit viel Mühe stundenlang mit Laubsäge und ähnlichem gebaut. Zu diesem Zweck hatte ich auch das erste Mal eine Stichsäge gebaut. Du siehst, ich habe den Bauernhof ohne irgendwelche Kenntnisse gebaut. Ich hatte nur den Bauernhof, den wir früher zum Spielen hatten, im Kopf… Und war dann natürlich wahnsinnig stolz als ich endlich fertig war 🙂
Ich sehe die Geschichte gelassener, auch weil mir der Gegensatz entweder-oder zu korsettartig ist. Ja, für Kleinkinder sind Apps unpassend, weil sie das haptische Leseerlebnis brauchen. Jedoch per se einem gut gemachten E-Book die Ansprechbarkeit der Fantasier abzusprechen, geht mir zu weit. Viel mehr ist die Zeit noch nicht reif. Die Verlage bringen E-Books oder Apps meist als einen “Abklatsch” des gedruckten Buches heraus. Das gedruckte Buch steht immer noch im Mittelpunkt, ist der Ausgangspunkt. Viel mehr fehlt es an originären E-Books oder Apps, die nicht wie eine abgespeckte Version eines gedruckten Buches daher kommen. Wirklich gute Ansätze sieht man beispielsweise beim Verlag Tilda Marleen, der nur E-Books aufwendig publiziert.
Zudem steckt in unseren Köpfen (Eltern) noch die Aussage, Fernsehen ist Unterhaltung, nur wenig, weil es sonst die Augen kapputt macht o.ä., obwohl der statistische Fernsehkonsum da eine andere Sprache spricht. Hier gibt es eine kulturelle, tief verwurzelte Tradition.
Ich bin gespannt, wie die Entwicklung in 10 Jahren aussehen wird.
Schön auch diese Sicht hier zu lesen. 🙂
Ich bin da auch sehr altmodisch und finde, dass Kiga-Kinder diesen neumodischen Kram nicht brauchen. Nur die Eltern haben das Zeug nötig, wenn sie keine Lust haben, sich mit ihrem Würmchen zu beschäftigen und es so ganz easy und doch sooo kindgerecht von diesen anonymem “Spielpartnern” bespaßen lassen können.
Nicht schädlich? Ich weiß nicht… Ich denke, es geht einem so einiges ab, wenn man überwiegend nur so technisch spielt, ohne soziale Interaktion, ohne menschliches Feedback…
Aber wie gesagt, ich bin da sehr pingelig 😉
Ich bin da auch ziemlich pingelig… Mein Sohn hat bisher auch noch nie Fernsehen geguckt und er fragt auch gar nicht danach. Es gibt also kein Fernsehverbot, aber ich werde es ihm auch nicht aus Eigeninitiative anbieten….
Beim ersten Kind ist das echt easy. Jan fing, glaube ich, mit 5 an, TV zu sehen und dann auch nur Bob, der Baumeister. Der kleine Bruder kam dann eher dazu. Aber eh nur in Maßen. Selbst jetzt gibt es maximal eine halbe Std TV am Tag (mit 8+11), der Große darf aber auch die Nachrichten sehen. Am Wochenende ist dann auch Mario-Kart-Zeit, aber auch nur ein halbes Stündchen…
Ganz davon fernhalten sollte man sie nicht, denn diese Dinge sind ab einem bestimmten Alter auch Gesprächsthema in der Schule und wenn man gar nichts kennt und nie mitreden kann, ist man schnell im Abseits.
Die Dosis macht das Gift *lach*