Wie aus einem langweiligen Haus, ein Haus voller Leben wird
„Tolle Nachbarn“ – das ist scheinbar Interpretationssache. In Bezug auf das Buch mit diesem Titel würde ich dem Ich-Erzähler allerdings zustimmen, aber scheinbar gibt es auch Bewohner, denen das graue Mietshaus, welches man zu Beginn des Wimmelbuches sieht, besser gefällt, als ein Haus mit lauter verschiedenen, interessanten Bewohnern.
Zu Beginn des Buches wohnen ausschließlich Schafe in dem Haus. Eigentlich passiert nichts besonderes. Das einzige Erwähnenswerte ist das Geschimpfe von Frau Schopf über das Teppichausklopfen über ihrem Fenster. Das war es im Großen und Ganzen auch schon. Dass Frau Spätzle vor der Haustür fegt oder dass das eine Schaf ganz oben mal wieder Fernsehen guckt, ist nun wirklich eigentlich nicht aufregend genug, um es zu erzählen. Es geht also stinklangweilig zu in diesem Haus. Doch eines Tages passiert dann doch etwas. Die Wölfe kommen und ziehen ein. Der Erzähler ist begeistert, aber diese Begeisterung können nicht alle teilen. Manche Schafe sind sogar so verärgert, dass sie ausziehen. So nach und nach kommen immer mehr neue Bewohner, während einige der alten das Haus verlassen. Das Haus leidet nicht darunter. Im Gegenteil – endlich ist hier mal Leben in der Bude, denn die neuen Bewohner sind alles andere als langweilig: Die Krokodile eröffnen eine Bar, die Wölfe machen Musik und fahren Motorrad, die Schweine greifen zu Pinsel und Maltopf und verändern die Fassade, die Störche bauen auf dem Dach ein Nest und alle machen mit bei Schneeballschlachten und Spielen auf der Straße. Im und um das Haus herum passiert etwas: Es wird bunt und fröhlich! Und für uns als Leser gibt es jede Menge zu entdecken: Was gibt es auf den Seiten alles zu sehen? Was hat sich getan und verändert? Wo ist die Mütze des Polizisten? Wer wohnt jetzt alles in dem Haus? – Ein herrlicher Spaß!
„Tolle Nachbarn“ ist ein tolles Wimmelbuch, welches bereits durch sein längliches Format auffällt. Die Bilder sind klasse und laden zum Anschauen ein.
Kurze Texte vom Ich-Erzähler leiten uns durch die Geschichte. Es ist also kein Wimmelbuch, welches ganz auf Text verzichtet, was manche Eltern zu schätzen wissen. Die Geschichte selbst erzählt sich aber auch recht gut durch die Bilder, wobei man dann vielleicht auf manche Dinge weniger achten würde.
Was sind also tolle Nachbarn? Schafe, die kaum Ideen haben, aber meckern, wenn ihnen etwas nicht passt, und die nur ihre täglichen, langweiligen Aufgaben vor Augen haben? Oder lauter verschiedene Tiere, die Spaß am Leben haben, etwas verändern und gemeinsam feiern? Die Antwort liegt wohl auf der Hand. Und natürlich lässt sich das ganze auch auf uns Menschen übertragen. Etwas schade finde ich es, dass kaum Schafe im Haus geblieben sind. Noch schöner wäre eine größere Akzeptanz, aber ganz am Ende sieht man dann doch wieder einige Schafe, die sogar aus den Fenstern des Hauses schauen. Sind sie vielleicht sogar zurück gekommen und haben eingesehen, dass das Leben im Haus zwar abwechslungsreicher, aber auch fröhlicher geworden ist? Es könnte sein…
Tolle Nachbarn von Hélène Lasserre und Gilles Bonotaux, übersetzt von Edmund Jacoby, Jacoby & Stuart Verlag, ISBN: 978-3-946593-00-3, 14,95€
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