Trauriges, aber wichtiges Thema im Bilderbuch: Häusliche Gewalt
Nein, als „schön“ kann man dieses Buch sicherlich nicht bezeichnen, aber es ist ein sehr gutes, empfehlenswertes und vor allem wichtiges Buch: „Klein“ – sowohl der Titel als auch die Erscheinungsform des Buches, aber dafür ist der Inhalt umso gewaltiger, im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht nämlich um häusliche Gewalt – emotionale und physische.
Klein mag es, wenn alle froh sind und es keinen Streit gibt. Besonders schön ist es in der Kita, wo es die nette Frau Traulich gibt. Zu Hause ist es leider nicht immer so schön. Ständig gibt es bösen Streit zwischen Stark und Groß und Klein ist mittendrin. Klein hat Angst, Klein ist traurig und Klein ist ganz auf sich selbst gestellt. Zunächst kann Klein einfach niemandem erzählen, wie viele schreckliche Tage es hat, doch dann erzählt es endlich seiner Kindergartenerzieherin alles. Endlich! Und Frau Traulich weiß, dass die Großen den Kleinen helfen müssen und sie sorgt dafür, dass einige Große darauf achten, dass Klein von nun an viele fröhliche Tage hat.
Leider ist Klein nicht das einzige Kind, dem es so geht und welches zu Hause Angst hat, aber „wenn man alles erzählt, dann gibt es Große, die einem helfen. Denn alle, die groß sind, sollen sich um die kümmern, die klein sind. So ist das.“ Wichtige Worte zum Schluss des Buches. Hier wird jeder Erwachsene auch noch mal persönlich angesprochen, egal ob Erzieherin, Nachbar oder Bekannter aus dem Verein. Es ist ein Appell auf Kinder zu achten und nicht nur den eigenen Kindern eine schöne Kindheit zu schenken, sondern auch dem Kind, das so traurige Augen hat, eine Hand zu reichen. Natürlich kann das Buch auch betroffenen Kindern Mut machen sich anzuvertrauen. Wenn das Buch dies nur bei einem einzigen Kind schaffen würde, dann hat sich dieses kleine Buch bereits gelohnt.
Stina Wirsén hat bereits mit ihren Nalle-Büchern gezeigt, dass sie ein gutes Gespür für kindliche Emotionen und Themen, die Kinder beschäftigen, hat, aber dieses Buch und sein Inhalt haben natürlich noch einmal eine ganz andere Qualität. Stina Wirsén wagt sich an ein schwieriges, aber sehr wichtiges Thema, und zeigt wieder einmal, dass sie es versteht, dieses Thema behutsam in einem Bilderbuch zu verarbeiten. Die Situation eines Kindes, in dessen Elternhaus Gewalt herrscht, wird realistisch dargestellt, aber die Lösungsmöglichkeit in Form von helfenden Erwachsenen, denen man sich anvertrauen kann, macht Mut. Einerseits ist alles unglaublich fassbar, das Buch macht betroffen und es ist unglaublich traurig, dass es Kinder gibt, die so etwas erleben müssen. Am liebsten würde man Klein direkt in den Arm nehmen und retten. Andererseits sind die Gewaltszenen selbst letztendlich wenig konkret dargestellt und auch die Figuren selbst wirken eher skizzenhaft. Das hat Stina Wirsén wirklich klasse gemacht. Kinder, u.a. auch die, die nicht solche schlimmen Erfahrungen machen müssen, werden somit nicht verschreckt. Außerdem kann sich auf diese Weise jedes Kind, welches zu Hause aus den unterschiedlichsten Gründen Angst haben muss, angesprochen fühlen. Niemand wird von vorne herein ausgeschlossen, was durchaus passieren könnte, wenn die Situationen konkreter wären. Auch gibt es in dem Buch keine Geschlechter. Klein kann sowohl ein Mädchen als auch ein Junge sein und auch die Vater- und Mutterrolle wird nicht besetzt. Es bleibt offen, wer wer ist.
Die Bilder sind trotz oder vielleicht gerade auf Grund des skizzenhaften Charakters sehr ausdrucksstark. Gefühle und Atmosphäre kommen greifbar herüber. Insgesamt wird viel mit Farben, Formen und „Gekritzel“ gearbeitet. So kommt beispielsweise das Geschimpfe mit bösen, schwarzen Strichen aus Starks Mund heraus. Durch diese Art der Bilder bleibt viel Platz für Interpretationen und letztendlich die Identifikation mit Klein. Worüber geschimpft wird, wovor sich Klein fürchtet, das können betroffene Kinder jeder für sich beantworten und vielleicht vertrauen sie ihre Gedanken einer erwachsenen Person an. Hoffentlich!
„Klein“ ist ein Buch, welches in jeder Kita und in jeder Grundschule den Kindern frei zugänglich sein sollte. Hier gehört es hin, damit es auch die Kinder erreicht, für die es wichtig ist.
Klein von Stina Wirsén, übersetzt von Susanne Dahmann, Klett Kinderbuch, ISBN: 978-3-95470-131-5, 9,95€
Das klingt wirklich sehr interessant. Danke für den Tipp!
LG Eva
Ich mag eben dieses Skizzenhafte, weil es wirklich Platz bietet, sich mit dem Inhalt zu identifizieren. Wichtige Bücher sollten wirklich frei zugänglich sein und auf eine Empfehlungsliste für KiTas usw kommen.
Mach doch mal eine aus deiner sicht und biete sie frei an.
Gruß aus der Sternwarte, Arndt
Das ist eine gute Idee. Ich werde mal darüber nachdenken.
Wenn nicht du, wer dann? Do it…
So wahnsinnig viele wirklich wichtige Bücher habe ich bisher noch nicht in den Händen gehabt, da ich für zu Hause den Schwerpunkt einfach auf “Spaß an Büchern und Geschichten” gelegt habe, aber ein paar Bücher habe ich tatsächlich schon im Kopf… Und nach und nach kann die Liste dann erweitert werden.
Diese Liste allein wäre gold wert…. 😉
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