Ein Appell an die Menschlichkeit
Immer wieder komme ich mit Bekannten über Kinderbücher im Allgemeinen und meinen Kinderbuchblog im Speziellen ins Gespräch. Diesen Austausch finde ich sehr wichtig und er macht mir viel Freude. Ab und zu werden mir auch Bücher vorgestellt, die eventuell auch etwas für meinen Blog wären. Ich freue mich über diese Vorschläge und dieses Interesse und schaue mir die Bücher auch gerne an, aber manchmal weiß ich auch einfach nicht, wie ich sie in meinem Blog unterbringen kann. Sind es nicht vielleicht doch zu alte Bücher, die keinen mehr interessieren und die auch gar nicht mehr erhältlich sind? Passen die Bücher überhaupt in die Kategorie „Kinder- und Bilderbücher“? All diese Bedenken hatte ich auch bei dem Buch „Bo und die anderen“. Es ist ein Buch, welches einer Bekannten sehr am Herzen liegt, also muss es wohl ein besonderes Buch sein. Das Thema (eine Lehrerin und ihre Förderschulkinder) interessiert mich ebenfalls und diese Art von Büchern habe ich zumindest früher sehr gerne gelesen. Trotzdem gibt es ein großes ABER… Es ist kein Buch für Kinder, eher für Jugendliche und vielleicht sogar Erwachsene und es ist ein altes Buch, welches nicht mehr neu erhältlich ist…
Wieso schreibe ich dann nun trotzdem über dieses Buch? Weil es egal ist, dass es ein altes Buch ist, denn die Grundaussage ist heute genauso wichtig wie damals. Weil es ein Buch ist, welches jeder lesen sollte, der sich mit Kindern beschäftigt. Und letztendlich weil es ein Buch ist, welches mich selbst sehr berührt hat. Es passt hervorragend zu meinem Blog, denn hier lesen Menschen, die von Kindern umgeben sind und für all diese Menschen ist dies ein toller Buchtipp. Eigentlich ist es sogar ein Buchtipp für alle, denen Menschlichkeit und rein respekt- und liebevoller Umgang zwischen Menschen wichtig ist und die nicht den Glauben daran aufgeben möchten, dass ein solcher Umgang Gutes bewirken kann.
In dem Buch erzählt die Lehrerin Torey L. Hayden von vier ihrer Schüler. Vier Kinder, die alle Schwierigkeiten im Leben und in der Schule haben. Nickey ist autistisch, Bo kann durch eine Misshandlung ihres leiblichen Vaters und den daraus entstandenen Folgen nicht lesen und schreiben lernen, Claudia ist mit 12 Jahren schwanger und hat keinen Ansprechpartner und Thomas muss lernen mit seinen Aggressionen und mit dem, was er bereits in seinem Leben erlebt hat, umzugehen. Vier ganz unterschiedliche Schüler, die jedoch alle vor allem eins brauchen: Verständnis und Liebe.
Und genau das bekommen sie von Torey, die sich um jeden einzelnen von ihnen bemüht. Sie bewertet die Kinder nicht nach starren Normen und Kriterien, sondern sie bemüht sich die Kinder kennen zu lernen und ihnen das zu geben, was sie gerade brauchen. Sie gibt kein Kind auf und das spüren die Kinder und so können sie in dieser Umgebung so langsam einfach wieder so sein wie sie sind.
Es ist ein sehr berührendes Buch, welches u.a. auch in Hinblick auf die Diskussionen zur Inklusion oder auch allein zum Leistungsprinzip an Schulen höchst aktuell ist. Natürlich merkt man dem Buch an der einen oder anderen Stelle sein Alter an und manches würde man heute sicherlich anders ausdrücken, die Probleme der Kinder eventuell anders analysieren und mit ihnen umgehen, aber der Grundgedanke dieses Buches bleibt bestehen.
Wie geht man mit Kindern um, die nicht so lernen können wie es das Schulsystem vorsieht? Was brauchen sie? Was ist wichtig?
Erschreckend sind die Vorurteile und die demütigende Haltung mancher Kollegen von Torey gegenüber diesen Kindern. Manche Sätze lassen sich nicht ohne Empörung lesen, aber leider kann man auch hier nicht sagen, dass dies eben an der Zeit des Buches liegt. Auch heute noch werden Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen solchen menschenfeindlichen Vorurteilen begegnen.
Und dann freut man sich über jeden Menschen, der so wie Torey handelt, die in einer beinahe grenzenlosen Geduld die Kinder so annimmt wie sie sind. Am Ende des Buches hat man einfach den Wunsch selbst ein besserer Mensch zu werden. Ein Mensch, der anderen mit Liebe, Geduld, Menschlichkeit und Respekt gegenübertritt, ein Mensch, der sich Zeit für andere nimmt um sie richtig kennen zu lernen und um heraus zu finden, was man ihnen Gutes tun kann. So ein Mensch bin ich nicht immer, aber es ist gut, wenn einen ein solches Buch daran erinnert, egal wie alt es ist, denn jeder kann dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen freundlicher wird. Und ich möchte in meinem kleinen Umfeld gerne meinen Teil dazu beitragen.
Danke, dass mir dieses Buch zum Lesen und Vorstellen gegeben wurde!
Bo und die anderen – Die Geschichte einer ungewöhnlichen Schulzeit, in der die Lehrmethode Verständnis und der Lernstoff Liebe heißt von Torey L. Hayden, Knaur, ISBN: 3-426-02329-6, nur noch gebraucht erhältlich
Ja, die Menschlichkeit, Verstaändnis und das Akzeptieren, dass man nicht jeden in die Norm pressen kann und er/ sie dennoch ein liebenswerter und wertvoller Mensch ist….
Das fehlt leider sehr oft heutzutage.
Toller Bericht zum Buch, du hast mir Tränchen in die Augen getrieben…Mach´ das nicht nochmal 😉
Oh, jetzt bin ich auch gerührt…
Ich habe früher (vermutlich in der Oberstufe) mehrere Bücher von Torey L. Hayden gelesen. Wie sie hießen , weiß ich nicht mehr, nur dass sie mich berührt haben. Vielleicht haben sie sogar dazu beigetragen, dass ich mich für ein Pädagogik-Studium entschieden habe.
Ich kenne nur dieses Buch, aber das hat mich auf jeden Fall sehr berührt!