Fetter Pfannekuchen versus Lebkuchenmann
Alte, immer wieder erzählte Geschichten verändern ja oft über die Jahre und Länder hinweg ihre Form und ihren Inhalt. So ist nun auch aus dem dicken fetten Pfannekuchen ein Lebkuchenmann geworden: „Jagd auf den Lebkuchenmann“. Das ist natürlich insofern ganz passend, da der Lebkuchenmann Beine hat, mit denen er den hungrigen Tieren und Menschen davon laufen kann, während er ihnen frech die Zunge raus streckt und ruft „Niemand fängt mich kleinen Mann, weil ich so schnell rennen kann!“ Auch hier gibt es also einen Satz, den sich Kinder schnell merken und mitsprechen können, wobei ich persönlich natürlich ein wenig dem „kantapper, kantapper“ des Pfannekuchens hinterher trauere. Etwas schade ist auch, dass hier nicht die ganzen Tiere jedes Mal aufgezählt werden, denen er schon entkommen ist. Außerdem ist die Anzahl der Tiere, denen der Lebkuchenmann begegnet recht gering. Dafür gefallen mir die erfrischenden und fröhlichen Bilder in dem Buch sehr gut.
Ich weiß nicht, ob ich das Ende gut oder schlecht finden soll. Irgendwie finde ich es so traurig, dass der kleine süße Lebkuchenmann von dem Fuchs, dem er vertraut, überlistet und aufgefressen wird und es dann nur noch heißt „Das war das Ende des Lebkuchenmanns“. Da tut einem der Lebkuchenmann, der ja mit seinem ausdrucksvollen Gesicht menschliche Züge annimmt, doch ziemlich leid. Da ist es irgendwie netter, wenn sich der Pfannekuchen den armen Kindern opfert, wobei es ja auch hier die Version mit dem listigen Schwein gibt.
Mittlerweile habe ich mich mal ein wenig schlau gemacht und erfahren, dass das Buch im Prinzip die Erzählung vom „Gingerbread Man“ aus dem englischsprachigen Raum erzählt. Und da gehört es eben dazu, dass der Fuchs am Ende den Lebkuchenmann frisst, da ist also nichts dran zu machen… Eigentlich finde ich es schön, wenn man so ein Märchen in verschiedenen Versionen kennenlernt. Es ist spannend, welche Traditionen es in anderen Ländern gibt. Hier wäre vielleicht auch ein entsprechender Hinweis im Buch angebracht. Welche Version man bevorzugt, muss jeder selbst entscheiden. Wahrscheinlich hängt es auch damit zusammen, welche man als Kind erzählt bekommt… Es wird nun spannend sein zu beobachten, für welche Version Bücherwürmchens Herz einmal schlagen wird. Noch ist er für beide offen und lässt sie sich gerne erzählen, wobei er heute auch direkt den Opa aufklärte und ihm sagte, dass die Geschichte vom Lebkuchenmann eigentlich so wie die vom dicken, fetten Pfannekuchen sei.
Ich kann euch durchaus empfehlen, mal in dieses Buch hineinzuschauen. Mich selbst macht einfach dieses Ende sehr betroffen und ich hänge einfach zu sehr an den alten bekannten Geschichten. Da bin ich so konservativ wie ein Kind: Alles muss immer gleich sein und darf bloß nicht, auch nicht im Wortlaut geändert werden.
Jagd auf den Lebkuchenmann von Béatrice Rodriguez, NordSüd Verlag, ISBN: 978-3314101038, 14,95 €