Herbstzeit = Märchenzeit
So langsam wird es draußen wieder herbstlicher und man macht es sich gerne am Kamin und mit einem warmen Getränk gemütlich. Es ist also wieder die perfekte Zeit für Märchen. Ich finde es jedenfalls sehr schön mir gemeinsam mit Bücherwürmchen noch einmal das eine oder andere Märchen ins Gedächtnis zu rufen und so kamen mir die drei kleinen Märchenbücher, illustriert von Bernadette, gerade recht. „Rotkäppchen“, „Rumpelstilzchen“ und „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ gibt es nun als „Märchenstunde“-Set zu kaufen. Die Bücher sind in einem kleinen Format gehalten, so dass sie sehr handlich sind.
Die Märchen sind bekannt und werden sowohl sprachlich als auch inhaltlich genauso erzählt wie sie in meiner alten, dicken Gebrüder Grimm-Gesamtausgabe stehen. Die schöne Märchensprache wir hier also nicht vernachlässigt.
Inhaltlich war ich dann doch manchmal überrascht, an welche Details man sich gar nicht mehr erinnert. So bekannt Rotkäppchen auch ist, es beinhaltet doch einiges mehr als die Sätze à la „Großmutter, was hast du für große Ohren?“, die einem natürlich noch im Ohr sind. Aber erinnert ihr euch an die Mahnung der Mutter, bei der Großmutter „nicht erst in allen Ecken herum“ zu gucken oder wisst ihr, wo die Großmutter genau wohnt? Ja, klar, im Wald, aber die Beschreibung ist deutlich ausführlicher: „unter den drei großen Eichbäumen, unten sind die Nusshecken“. Ich hatte nicht das Gefühl all diese Details jemals gehört zu haben und dachte bei mir, dass hier wohl jemand die Geschichte ganz schön ausgeschmückt hat. Ja, ich fand sogar, dass das Rotkäppchen-Märchen in dem Buch ein wenig umständlich klingt. Dann habe ich es aber mal in meiner alten Ausgabe nachgelesen und festgestellt, dass es dort genauso erzählt wird.
Gut, dass man sich nun noch einmal mit den Märchen beschäftigt. Dabei ist mir übrigens noch etwas anderes aufgefallen: Auf Märchenbildern wird der Wolf häufig schwarz dargestellt. Das war mir gar nicht bewusst, doch dann beschrieb Bücherwürmchen den Wolf in einem Tierrätsel als schwarzes Tier. Ich befürchte sowieso, dass seine Vorstellungen vom Wolf sehr von Märchen geprägt wurden. Ja, Wölfe sind ihm gar nicht geheuer, aber dennoch oder gerade deshalb liebt er Märchen, in denen ein Wolf vorkommt. Gerade vor ein paar Tagen nannte er noch „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch.
Die Bilder erinnern an feine Buntstiftzeichnungen. Sie passen gut zu den Märchen und zu der besonderen Atmosphäre, die diese ausstrahlen.
Die Figuren sind mir teilweise etwas zu hölzern, aber insgesamt gefallen mir die ruhigen Bilder und vor allem die Gestaltung der Natur gut.
Rumpelstilzchen hatte ich mir irgendwie immer ganz anders vorgestellt. Oft hat man Märchen ja ohne Bilder gehört, so dass man eigene Vorstellungen und Bilder entwickelt hat. Sind Bilder bei Märchen überhaupt sinnvoll? Im ersten Moment dachte ich, dass es richtig klasse sei, die Märchen in den Büchlein so schön illustriert mal vor sich zu haben. Andererseits wird so natürlich die eigene Fantasie eingeschränkt und manchmal können Bilder Schrecken verbreiten. Getreu dem Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ sind es oft gerade die Bilder, die Kindern Angst machen und im Gedächtnis bleiben. Märchen bieten einigen Gruselstoff, aber hier wurde sehr behutsam gearbeitet. Natürlich kommt der Wolf nicht sympathisch herüber, aber er wird auch nicht fruchteinflößend dargestellt. Man sieht z.B. nicht, wie der Wolf die Geißlein verschluckt. Das hat die Illustratorin wirklich gut gemacht und so kann man sich die Bilder mit Kindern ohne Bedenken anschauen, sobald man ihnen den Inhalt zutraut. Man erhält hier also drei Märchen, bei denen eigentlich alles stimmt: Schöne Sprache, Inhalt nicht verfälscht und passende Bilder, die alles schön und angemessen illustrieren. Genau das richtige für die Herbstzeit!
Märchenstunde – Drei Märchen der Gebrüder Grimm, illustriert von Bernadette, NordSüd-Verlag 2015, ISBN: 978-3-314-10316-2, 14,99€